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Das Leben und Wirken des ehrw. Seraphim von Sarow (3)

2 Νοεμβρίου 2009

Das Leben und Wirken des ehrw. Seraphim von Sarow (3)

agios serafeim tou sarof

Seraphim von Sarow (2)

Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte der hervorragende russische Theologe und Schriftgelehrte A. Chomjakow in einem Brief an A. Koscheljow, einem Anhänger alles Westeuropäischen, darauf aufmerksam gemacht, daß die zeitgenössische Kultur, die man Rußland aufdrängen wolle, keine Wurzeln habe. Die wahre Kultur des russischen Volkes müsse seinen Worten zufolge auch aus russischen Wurzeln hervorsprießen: “Die Wurzel und die Grundlage sind der Kreml, Kiew, das Einödkloster von Sarow…”. Offenbar war A. Koscheljow von dieser Feststellung und der Polemik mit A. Chomjakow sehr stark beeindruckt, denn er unternahm eine Pilgerfahrt nach Sarow, um sich im orthodoxen Glauben zu stärken.

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Auch in den Familien von Axakow und Tjutschew wurde Seraphim verehrt. So trug Darja Feodorowna, die Tochter des Dichters Feodor Tjutschew in ihr Tagebuch ein: “Ich weiß nicht, gibt es irgend jemanden auf der Welt, der den Starez Seraphim mehr verehren könnte als ich. Ich fühle so stark seine Nähe. Ich rufe ihn bei jeder Kleinigkeit an. Kann ich zum Beispiel nicht einschlafen, so rufe ich ihn an, lege mir sein Bildnis unter das Kopfkissen, und sofort schlummere ich ein. Er ist für mich wie eine Kinderfrau”. Das hatte folgende Bewandtnis. Als neues Hoffräulein bei der Großfürstin hatte Darja gleich an einem der ersten Abende auf einmal furchtbare Krämpfe bekommen. Der ganze Hof nahm an ihrem so seltsamen und unerwarteten Leiden großen Anteil. Als sie für kurze Zeit wieder zur Besinnung kam, da sagte ihre Schwester Anna: “Gelobe es dem Vater Seraphim, daß du, wenn du nicht stirbst, zu seinem Grabe fährst und dich vor ihm verneigst”. Darja nickte mühsam, zum Zeichen, daß sie einverstanden sei. Im selben Augenblick schlief die Kranke ein, und das Leiden ließ etwas von ihr ab. Als Darja dann wieder halbwegs genesen war, erfüllte sie ihr Gelübde. Sie begab sich im Jahre 1863 nach Sarow, um dort zu beten. Die Kunde von dem Wundertäter von Sarow drang auch bald bis zum Zarenhof vor. Anna Feodorowna Tjutscbewa war die Erzieherin der Großfürstin Maria, einer Tochter des Zaren Alexander II. Einmal erkrankte das Mädchen sehr heftig, und alle Petersburger Leuchten der Medizin waren ratlos. Da befahl Anna Tjutschewa, man solle den Mantel des Starez Seraphim, der im Schloß aufbewahrt wurde, herbeibringen, und mit ihm deckte sie dann die Kranke zu. Die Zarentochter flüsterte: “Vater Seraphim, bitte bei Gott für mich”,- worauf sie sich beruhigte und einschlief. Zur großen Verwunderung der Ärzte ging das Leiden in einen Schnupfen über und verschwand nach etlichen Tagen gänzlich.

Die vom Heiligen Geist erleuchtete Liebe des Vaters Seraphim erwärmte das gesamte orthodoxe Volk. Und zusammen mit dem Apostel Paulus konnte der Starez sagen: “Unser Mund hat sich zu euch aufgetan… unser Herz ist weit geworden. Ihr habt nicht engen Raum in uns” (2. Kor. 6, 11-12). Der feste Glaube und die Frömmigkeit, die darin zum Ausdruck kamen, daß der getreue Gottesdiener Seraphim von den höchsten Rängen der Hierarchie, den gebildeten Gesellschaftsschichten und dem einfachen Volk gleichermaßen stark verehrt wurde, ließen erkennen, daß sich das russische Volk im Zeitalter der Verweltlichung und des Rationalismus sein kirchliches Bewußtsein bewahrt hatte. In der Gestalt dieses großen Glaubensstreiters verflochten sich eifriges Dienen und inbrünstiges Beten und paradiesische Helle – ein bereits überirdisches Licht – zu einem einheitlichen Ganzen. Jegliche Natur, die Seraphim mit seinem edlen Geist angehaucht hatte, wurde heilig – seien es ein Stein oder Wasser, ein Sarg oder andere Dinge, alle strömten sie einen Segen und Heilung aus. Alle Menschen glaubten fest daran, daß Gott auf die Gebete des Starez Seraphim seinen Segen herabsende. Und wer es noch erlebte, wie Seraphim von der Kirche heiliggesprochen wurde, der sagte: “..wir hatten uns schon von früher Kindheit an den Gedanken gewöhnt, daß dies ein getreuer Knecht Gottes und ein fürwahr heiliger Mann ist”. Das Volk war sich dermaßen sicher, daß die Kirche den ehrwürdigen Seraphim einst verherrlichen würde. Daher wurden schon lange vor diesem Ereignis zu seinen Ehren Altäre hergerichtet, so beispielsweise in der bereits 1875 fertig erbauten Dreifaltigkeits – Kirche des Klosters in Diwejewo.

In der Rus sind seit langem drei Faktoren ausschlaggebend gewesen, damit ein Gottesknecht glorifiziert werde: das Volk, die Geistlichkeit und die weltliche Macht. Denn zunächst wird ein eifriger Glaubensstreiter vom Volk spontan verehrt. Das ist zwar ein unerläßliches, aber noch nicht ausreichendes Kriterium, damit er von der Kirche heiliggesprochen werde. Die kirchliche Macht hat diese Gefühle des Volkes auf den Weg der wahrhaftigen Frömmigkeit hinzulenken, sie zu heiligen und zu segnen. Bei der Verherrlichung des ehrwürdigen Seraphim sehen wir, daß der Wunsch und die sehnlichen Erwartungen des Volkes, der Geistlichkeit und der Staatsobrigkeit übereinstimmen.