Auf Deutsch

Die Autorität des Vaters als das geistliche Zentrum der Familie

13 Φεβρουαρίου 2010

Die Autorität des Vaters als das geistliche Zentrum der Familie

Delkeskamp-Hayes, Cornelia

Welche fehlgeleiteten moralischen Werte lenken Frauen von ihrer Heiligung ab? Welche sozialdemographischen Probleme brachte die liberale Gleichberechtigung von Mann und Frau mit sich? Ist der Gehorsam ein versklavendes Joch oder der Hauptweg zur Selbstverwirklichung des Menschen? Frau Cornelia Hayes lädt uns ein, über diese und andere Aspekte der biblischen Anthropologie gemeinsam zu reflektieren.

Hochverehrte Väter, liebe Brüder und Schwestern in Christo!

Ich stehe vor Ihnen mit großer Dankbarkeit für Ihre Einladung, die es mir erlaubt, Rußland zu erleben und einige seiner Klöster zu sehen. Zugleich stehe ich vor Ihnen als theologischer Laie, und überdies als Frau, der der Heilige Paulus das Lehren verbietet (1.Tim.2:12). Nun hat Vater Alexander meinen Vortrag gesegnet und ich könnte fröhlich loslegen mit dem, was mir aufgrund meiner westeuropäischen Erfahrungen am Herzen liegt. Aber ich muß noch eine Einschränkung vorausschicken: Alles, was ich zu sagen habe, ist nichts weiter als eine Anmerkung zu dem, was Seine Eminenz Patriarch Kyrill von Moskau und ganz Rußland in Kapitel X seines Sozialen Grundkonzepts bereits in vollständiger, ausgewogener und inspirierender Weise ausgeführt hat.

Wenn alles schon gesagt ist, warum weiter darüber reden? Zwei Gründe.

Weiterlesen…

Zum einen sind manche Wahrheiten schwer verdaulich. Zu den am schwersten verdaulichen Wahrheiten für einen jungen Menschen gehört die Einsicht, daß die Alten mit ihren Warnungen recht haben. Eine Gesellschaft, die aufbricht in ein liberales, demokratisches, plurales Zeitalter mag sich in gewisser Hinsicht wie ein jugendliches Volk erleben. Es befreit sich vielen Zwängen der Vergangenheit. Von denen, die heute in Rußland nach Europa blicken, wird die Väter-Generation der Ex-Kommunisten nicht mehr als Autorität anerkannt, – ebenso wie in den 50er und 60er Jahren die Vätergeneration der Ex-Nationalsozialisten nicht mehr anerkannt wurde. Hier in Rußland tauchen überdies seit dem Fall des Kommunismus Großväter auf, die an ganz uralte Weisheiten über den Sinn des Lebens und die Wurzeln der russischen Kultur erinnern. Sie wollen sich in Vielem dem neuen Aufbruch nicht anpassen. Sie haben über das kulturell, sozial und politisch so anziehende Europa nichts Gutes zu sagen. Wird man auf die Autorität dieser Großväter hören? In dieser Situation mag es lohnen, von denen zu hören, die mit Europa ihre Erfahrungen gemacht haben. Man kann vieles an Europa schätzen: seine Rechtstradition, seine Verfahrenstreue, seine Solidaritätskultur, seine innovationsfördernde Marktwirtschaft. Trotzdem muß man als Christ viele Aspekte der zutiefst säkularisierten Kultur der Liberalität in Europa kritisieren. Ich beschränke mich auf einen dieser Aspekte: die Heilige Kuh der westlichen Zivilisation, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, in ihren Konsequenzen für das Zusammenleben der Geschlechter und die Familie.

Der zweite Grund: mir scheint, daß man dieser Heiligen Kuh noch ein wenig energischer zu Leibe rücken muss, als dies das Soziale Grundkonzept tut. In den häufig erscheinenden Verlautbarungen des Vatikans zu sozialen Fragen wird der Beitrag der Frauen zu Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft, und Politik ebenso lobend hervorgehoben wie ihre Rolle als Mutter. Das läßt die Frage der von Christen gesetzten Prioritäten offen. Im Sozialkonzept Ihres Patriarchen wird die Priorität der Mutterrolle Rolle anerkannt, auch die Führungsverantwortung des Ehemanns wird bejaht. In meinem Beitrag möchte ich dafür plädieren, hierin noch entschiedener der Theologie der Väter zu folgen.

Anlass dieser Konferenz ist, wenn ich das richtig verstehe, die dramatische Alterung moderner Gesellschaften. Überall wird heute versucht, dieser Entwicklung durch ökonomische und infrastrukturelle Anreize entgegenzuwirken. Überall sucht man, Frauen die Vereinbarkeit von Mutterschaft und Beruf zu ermöglichen. Das bedeutet: die Produktion von Kindern wird gefördert, aber ihre Aufzucht wird in öffentliche Einrichtungen verlegt.

Als orthodoxe Christen unterscheiden wir zwischen den Interessen des Staats und unserer göttlichen Berufung. Die Kirche läßt das Wohlergehen des Staats nicht außer acht, stellt ihre diesbezügliche Sorge aber in den Rahmen ihres primären Auftrags. Wenn Gott Mensch geworden ist, damit Menschen vergöttlicht werden können (Athanasius von Alexandria, De incarnatione § 54.3), dann stehen auch demographische Fragen im Horizont der Vergöttlichung des Menschen. Christi Anweisung in Gen.1:28, dass die Menschen sich vermehren und die Erde füllen sollen, bleibt auch heute in Kraft, – ungeachtet aller ökologischen Katastrophenmeldungen. Nach Paulus werden Frauen durch ihre Kinder gerettet (1. Tim. 2:15). Damit liegt auch nach christlichem Verständnis die Sicherung nachwachsender Generationen bei den Frauen, – eine Forderung, die zumindest in entwickelten Ländern auch politisch willkommen ist. Allerdings schränkt Paulus ein: um ihre Mütter zu retten, müssen diese Kinder in Glauben, Liebe und Heiligkeit mit Nüchternheit ausharren. Hierzu bedarf es einer Familie, die sich, ganz im Sinne des Sozialen Grundkonzepts, als Kirche im Kleinen versteht (vgl. Joh. Chrysostomos, 20. Predigt über den Epheserbrief). Als Keimzelle ist sie für die Kirche selbst unverzichtbar. Um aber eine Familie so in die Kirche zu integrieren, muss zumindest ein Familienmitglied für das seelisch und geistlich nötige Umfeld sorgen. Man kann mit Kindern nicht beten, wenn man nicht auch mit ihnen lebt, ihre Freuden und Kümmernisse teilt. Traditioneller weise war dieses Umfeld die Aufgabe der Hausfrau und Mutter. Wer daran heute erinnert, stellt sich nicht nur außerhalb der staatlich gewünschten Integration der Frauen in den Wirtschaftskreislauf. Er macht sich auch zum schwer verdaulichen ‚Großvater‘. Aber wenn wir die geistige Orientierung zurückgewinnen wollen, die Patriarch Kyrill immer wieder einfordert, und die wir brauchen, um unsere Kinder zur Kirche zu führen, müssen wir untersuchen, was dieses traditionelle Familienmodell in unseren modernen Gesellschaften in Ost und West zerstört hat.

In Deutschland geht es uns gut. Auch hier gibt es wirtschaftliche Zwänge. Aber sie reichen nicht hin, um den Geburtenrückgang zu erklären. Sicherlich sinkt mit steigendem Wohlstand die Bereitschaft, auf das ‚angenehme Leben‘ zu verzichten. Aber eine im letzten Jahr vorgenommenen Umfrage unter deutschen Frauen weist noch in eine andere Richtung. Als Grund ihrer Kinderlosigkeit nannte die überwältigende Mehrzahl den fehlenden Partner. Das Problem war nicht das Fehlen von „Lebenspartnern” oder „Lebensabschnittpartnern”. Es fehlen Männer, die bereit sind, Verantwortung für eine Familie zu übernehmen.

Unsere Männer definieren sich nicht mehr über ihre Vater-Rolle. Diese Rolle ist durch das moderne Verständnis der Beziehungen zwischen den Geschlechtern insgesamt in den Hintergrund des öffentlichen Bewußtseins getreten. Besonders die Idee väterlicher Autorität in der Familie gilt als überholt.

Diese Veränderung hat viele Gründe, die wir hier nicht erörtern können. Empfängnisverhütung, eine neue Sexualmoral, ein an das Ziel individueller Selbstverwirklichung angepasstes Scheidungsrecht, – das alles ist wichtig. Im Zentrum steht jedoch das Herzstück internationaler Menschenrechtspolitik: das Engagement für die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Es begann mit dem Wahlrecht, dem Recht auf Scheidung, auf gleichen Verdienst für gleiche Arbeit, auf gleiche berufliche Chancen, – es führte zum auch international immer weiträumiger durchgesetzten Verbot sexueller Diskriminierung. Was zunächst nur den Bereich des Politischen und des Rechts berührte, wurde auch kulturell zur zwingenden „Selbstverständlichkeit”. Diese allgemein bejahte Geltung beruht auf der Tatsache, dass sich das Prinzip der umfassenden Gleichberechtigung als ein moralisches, und damit, wie suggeriert wird, allgemein verpflichtendes Prinzip darstellt. Es beruht auf der Anerkennung einer rein säkularen Menschenwürde. Diese Anerkennung umfasst insbesondere das Recht auf individuelle Selbstverwirklichung. Ehe und Familie, oder überhaupt jede Bindung, werden damit in das Belieben des Einzelnen gestellt. Dabei betrifft dieses Belieben nicht nur die Entscheidung für eine Bindung. Auch die Dauer jeder Bindung ist zur Sache momentaner Befindlichkeiten geworden. Die säkulare Anerkennung der Menschenwürde, indem sie den Wechsel und Wandel der Lebensorientierung zur Norm einer hochgehaltenen Authentizität erhebt, prägt somit den umfassend ‚liberalen‘ Charakter moderner Gesellschaften.

Das zugrundegelegte Menschenbild setzt beim Einzelnen an: er gilt als zur autonomen Selbst-Schöpfung berufen und befähigt. Kindliche Phasen der Hilfsbedürftigkeit kommen dabei nur im Blick auf eine Erziehung zu derart geforderter und bejahter Autonomie zur Sprache; altersbedingte Phasen der Hilfsbedürftigkeit bleiben unberücksichtigt. Beide Formen der Hilfsbedürftigkeit werden (zumindest tendenziell) der Fürsorge im staatlichen Solidarsystem anvertraut. In dem Maße, wie der Staat Funktionen übernimmt, die traditionell von der Familie wahrgenommen wurden, steht einer auch kulturell gelebten Gleichberechtigung der Ehepartner nichts mehr im Wege: die Ehe wird (wenn überhaupt noch geschlossen) zum Lebens-Abschnitts-Modell. Es ist diese kulturelle Umsetzung eines für den säkularen (und ent-traditionalisierten) Staat konstitutiven rechtlichen Prinzips (der Gleichberechtigung der Geschlechter), das zum traditionellen Ehe-Verständnis im christlichen Sinne quersteht. Diese dem säkularen Rechts-System gegenüber Distanzlose und unkritische Umsetzung ist, so scheint mir, wesentlich dafür verantwortlich, dass unsere Gesellschaften im Westen dem Verlust ihrer geistigen Orientierung nichts entgegenzusetzen haben.

Zwei Worte der Abgrenzung vorab.

Zum einen: Die rechtliche Gleichstellung der Frau ist ein wesentliches Element der Moderne. Dahinter können entwickelte Gesellschaften nicht zurück. Diese Gleichstellung mag überdies willkommen und sogar unverzichtbar sein für all jene traditionalen Kulturen und Religionen dieser gefallenen Welt, denen die geistigen Ressourcen fehlen, um mit einer kulturell gelebten Un-Gleichberechtigung der Frau in humaner Weise umzugehen. Traditionale Kulturen beruhen zumeist auf der Macht von Männern. Ob diese ihre Macht in barmherziger Weise ausüben, bleibt ihrem Belieben, den Umständen, ihrer Erziehung, und bei alledem der im Herzen gutwilliger Menschen wirkenden göttlichen Gnade überlassen. Ich maße mir über das Grauen oder die Geborgenheit, die Frauen in solchen Kulturen erleiden oder genießen, als Außenstehende kein Urteil an. Unter Christen hingegen ist die Gleichberechtigung der Frau zum Götzenbild geworden. Gewiß, unter Bedingungen eines (neuplatonisch-augustinisch) verzerrten und geschwächten Christentums konnte diese rechtliche Hilfskonstruktion in den westlichen Gesellschaften entwickelt und in dem Maße bejaht werden, in dem sich die Willkür männlicher Machtausübung anders nicht zügeln ließ. Die rechtliche Gleichberechtigung der Frau bedeutet also einen säkularen Notbehelf angesichts einer heute ent-christlichten Moderne. Zugleich aber hat dieser rechtliche Notbehelf eine tiefgreifende kulturelle Prägewirkung entfaltet: Sie zerstört jene traditionelle Familie, in der Frauen durch die Erziehung von Kindern zum Glauben Rettung finden könnten.

Zum anderen: Die Zerstörung der traditionellen Familie hängt nicht nur am Hedonismus. Sie hängt auch an der Moralisierung bestimmter Formen des Christentums. Diese, insbesondere von der europäischen Aufklärung bejahte Reduzierung des Evangeliums auf Anweisungen zum moralischen Gutsein, hat die Ordnung des menschlichen Miteinander (und seiner Verantwortung für die Umwelt) von der menschlichen Bestimmung zur Heiligkeit abgetrennt; das Bewußtsein einer Durchdringung von christlicher theoria und praxis, und damit auch von Geistigem und Leiblichem im Leben jedes Christen, ging verloren. Marktwirtschaftlich gesehen ist der (wohl verstandene) Hedonismus eine Tugend; nach säkularem Moralverständnis ist er somit schwer zu kritisieren. Auch läßt sich der (nicht-wohl-verstandene) Hedonismus durch seine Verurteilung schwerlich aus der Welt schaffen. Er nimmt ja immer Deckung unter angeblichen und vermeinten ‚Bedürfnissen‘ und unter vorgeblichen und irrigen Wertvorstellungen. In einer säkularen Welt definieren sich Frauen durch Bedürfnisse und Werte, die nichts mehr mit jener Leiblichkeit zu tun haben, die durch die Gottesgebärerin in geheiligter Weise vorgelebt wurde. Frauen verstehen sich hier rein moralisch als Person in einem (von der Philosophie Immanuel Kants hergeleiteten, und um das Desiderat sexueller Selbstbestimmung erweiterten) Sinne. In ihrem Rollenverständnis haben sie sich den Männern angeglichen. So binden sie ihr ethisches Selbstbewußtsein und ihre Menschenwürde an das, was sie in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Kultur, oder selbst als Kassiererin im Supermarkt oder Sekretärin leisten: sie machen ihren Eigenwert von der Anerkennung durch Bezahlung abhängig. Diese irreführende Ideologie leitet mithin sogar den ethischen Idealismus der Frauen irre. Diese selbe Ideologie macht die rechtliche Gleichstellung der Frauen zur Grundlage ihres kulturellen Selbst-Verständnisses. Nur eine Besinnung auf die patristische Lehre über das Verhältnis der Geschlechter kann hier ein Umdenken ermöglichen.

Damit komme ich zum Thema meiner Überlegungen.

Der Schöpfungsbericht geht von einer geschlechtlich differenzierten Menschlichkeit aus: „als Mann und Frau schuf er sie” (Gen. 1:27). Dabei wurde die Frau als Helferin (Gen. 2:18), und darum, wie der Heilige Paulus sich ausdrückt, um des Mannes willen (1.Cor.11:9), geschaffen. Mit Christi Inkarnation ist die im Fluch erfolgte Unterwerfung Evas unter die bedingungslose Herrschaft des Mannes (Gen.3:16) aufgehoben (Math.19:4-6). Paulus bekräftigt die Gleichheit der Frau als Gefährtin in der Errettung (1.Cor.11:11-12, Gal.3:28). Diese eschatologische Gleichheit erlaubt es jedoch nicht, schon in der noch gefallenen, der Errettung erst zu-strebenden, Welt auf eine auch soziale (und somit zugleich rechtlich durchzusetzende) Gleichberechtigung zu schließen. Zumindest halten Paulus und auch Petrus an der Autorität des Mannes in der Familie fest (1.Cor.11:3, Eph.5:22,33, 1.Petr.3:1,6). Dieses Festhalten wird von den meisten Christen der westlichen Glaubensgemeinschaften als zeitbedingtes Vorurteil disqualifiziert.

In liberalen Kulturen gelten Gleichheit und symmetrische Anerkennung auf Gegenseitigkeit als Grundlagen aller Moral. Der Weg der Vergöttlichung hingegen beruht auf der Anerkennung einer tiefgreifenden Ungleichheit zwischen Geschöpf und Schöpfer. Adam wurde nach dem Bilde Gottes als Herrscher über die Schöpfung gesetzt. Aber er sollte diese Herrschaft zugleich im Gehorsam unter der Herrschaft Gottes ausüben (Johannes Chrysostomos, Predigten über Genesis 14.9-10, 30.15). Der Gehorsam ist die Form, in der sich seine Liebe zum Schöpfer beweist; im Gehorsam geht er auf das Angebot der vergöttlichenden Liebe des Schöpfers ein. Nach dem Fall des Menschen offenbarte sich das Wort Gottes in Seiner Menschwerdung zugleich als „Sohn” Gottes. Dadurch sollte der Mensch, über seine geschöpfliche Zuordnung auf den Schöpfer hinaus, in die brüderliche Gemeinschaft der Söhne Gottes geführt werden. Dennoch lebte auch Jesus in Seiner Eigenschaft als Mensch diese Sohnschaft wiederum als ‚Liebe durch Gehorsam‘ vor. Dieser vorgelebte Gehorsam richtet sich nicht nur auf Gott als Vater. Jesus sagte „ich bin nicht gekommen, um mich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen” (Mt.25:28). Darum findet sich jede Nachfolge Christi, und damit jede Gottesliebe, an den Dienst am Nächsten, die Nächstenliebe gebunden, und damit wiederum an den Gehorsam auch gegenüber den Mitmenschen.

Dabei bleibt dieser Heilsweg der Unterordnung, des Gehorsams, des Dienens, für Männer und Frauen verschieden. Von Anfang sollte Adams Herrschaft über die Schöpfung die Herrschaft Gottes abbilden. Diese offenbart sich als fürsorgende, in Liebe nachgehende und zuvorkommende Väterlichkeit, – man denke nur daran, wie fürsorglich Gott sofort nach der Vertreibung der Menschen aus dem Paradies sich ihrer erbarmt: Er umhüllt sie mit schützenden Fellkleidern (Gen.3:21). Oder wie Gott seine verlorenen Menschenkinder ins Paradies zurückholte, indem Er selbst zum Menschen wurde und um des Menschen willen litt. Damit ist auch die männliche Schöpfungs-Herrschaft auf eine Väterlichkeit verpflichtet, die sich an den göttlichen Tugenden der Sanftmut und Demut (Mt.11:29) orientiert.

Von Anfang an teilte Eva nicht nur Adams Herrschaft (Gen.1:26-7). Sie selbst gehörte zu jener paradiesischen Welt, über die Adam herrschte. Obwohl er sie als „Fleisch von seinem Fleisch” erkannte, blieb Adam doch als Namen-Geber ihr vorgesetzt (Gen.2:23). Ihre Mitherrschaft über die Schöpfung sollte Eva also als Mithilfe bei der männlichen Wahrnehmung einer Herrschaftsaufgabe gestalten, die sich zugleich auf sie selbst erstreckt. Anders ausgedrückt, auch zur Wahrnehmung seiner Herrschaftsverantwortung auch über die Frau bedarf der Mann der Hilfe der Frau. Dieses in der Schöpfungsordnung vorgegebene Verhältnis ist auch für heutige Familien normativ. Wenn Männer verlernen, die mit ihrer Herrschaftsverantwortung verbundenen Pflichten wahrzunehmen, sind Frauen gefordert. In der Welt sollen Mann und Frau ihre Christusnachfolge der Gottesliebe im Gehorsam nicht unabhängig voneinander gestalten, sondern gemeinsam. Auch geistig oder praktisch überlegene Frauen brauchen dazu jene Tugend des sich-Zurücknehmens, an der es Eva hatte fehlen lassen, als sie eigenmächtig mit einem in Gestalt eines Adam unterstellten Wesens (als Schlange) auftretenden Partner in Unterhaltung trat, und so über beide das Verderben brachte.

Von Anfang an sind Menschen beiderlei Geschlechts zur Bildhaftigkeit Gottes ermächtigt. Ihre Chance der Vergöttlichung liegt darin, dass sie ungeachtet dieser Ermächtigung der Versuchung zur Eigenmächtigkeit widerstehen. Es ist diese zentrale Versuchung, gegen die der Gehorsam schützt. Dies geschieht wiederum bei Mann und Frau verschieden. Der Mann muss seine Versuchung zur Eigenmächtigkeit gegenüber Gott beherrschen, und dies im Hinblick auf seine Herrschaft über andere; die Frau muss ihre Versuchung zur Eigenmächtigkeit gegenüber Gott beherrschen, und dies im Blick auf die von Ihm eingerichtete Herrschaft des Mannes. Bereits im Paradies hätte jeder Protest Evas angesichts der Ungleichheit der Struktur dieses Gehorsams ihr freies „ja” zur vergöttlichenden Gnade, und damit ihre eigene Chance zur Vergöttlichung, zerstört. Umso mehr gilt dies nach dem Sündenfall, da der Gehorsam zugleich eine göttliche Therapie gegen die zur Gewohnheit gewordene egoistische Eigenmächtigkeit darstellt. Zudem wurde durch Christi Erlösungstat jene Ungleichheit wiederum neu überformt: Gemäß dem Verhältnis zwischen Christus und Seiner Kirche soll die Frau den Mann ebenso als ihr „Haupt” anerkennen, wie dieser für sie sein Leben hingeben soll.

Nur auf dieser geistlichen Grundlage kann Familie zur Kirche im Kleinen werden: Auch Väter sind schließlich (gefallene) Menschen. Sollen sie die ihnen dennoch zukommende Autorität ausüben, bedürfen sie der Mithilfe der Mütter. Nur Mütter können die Kinder lehren, im „irdischen Gefäß” (2.Cor.4:7) die göttliche Ermächtigung anzuerkennen. Damit Kinder an ihrer Liebe zum fehlbaren menschlichen Vater in die Liebe zum unfehlbaren himmlischen Vater hineinwachsen können, muss die Mutter vorleben, wie die Autorität eines gefallenen Menschen doch zugleich als von Gott gewollt anerkannt werden kann. Umgekehrt können Väter aufgrund dieses ihnen vorab gewährten Anerkanntseins lernen, die Hingabe ihres Lebens – d.h. ihrer Tüchtigkeit, Opferbereitschaft, Disziplin – als Ausdruck der ihnen auferlegten Liebe wahrzunehmen. Ist dieser Rahmen eines gegenseitig auf Gott zu geordneten Gehorsams gesichert, können Frauen hoffen, die von ihnen geborenen Kinder so in den Glauben einzuführen, dass diese ihnen selbst zur Rettung werden.

Ein solches Verständnis gewährt auch dann verlässliche Orientierung, wenn Menschen mit belastenden, die sozialen Rollen verkehrenden Lebensumständen zurechtkommen müssen. Einige Beispiele: Viele arbeitslose Familienväter hängen mit den Kindern vom Verdienst ihrer erfolgreicheren Frau ab. Aber es macht einen Unterschied, ob die Frau ihre Berufstätigkeit als eigene Selbstverwirklichung oder gar Triumph ihrer Überlegenheit empfindet, oder als ihre Weise, in dieser besonderen Notsituation dem Mann in seiner Verantwortung zur Seite zu stehen und seine Würde als Vorsteher der häuslichen Gebete zu wahren. Ebenso macht es einen Unterschied, ob Mütter ihren Söhnen die Fähigkeit zum verantwortlichen Selbstopfer, und ihren Töchtern die Fähigkeit zum hilfreichen Dienen vermitteln, oder ob Mütter in mißverstandener Diensteifrigkeit ihre Fürsorge als mütterliche Eigen-Macht entfalten. Wenn Mütter durch ihre Kinder gerettet werden, dann geschieht dies, indem sie diese zum Widerstand gegen jede Eigenmächtigkeit bei der Wahrnehmung ihrer von Gott gesetzten Aufgabe befähigen.

Eine geistige Orientierung, wie Patriarch Kyrill sie zur Lösung des demographischen Problems verlangte, ist nicht schon dadurch gewonnen, dass man den Kinderlosen mangelnde Opferbereitschaft vorwirft. Darüber hinaus bedarf es einer Kritik an jeder ideologisch verzerrten Opferbereitschaft. Es sind ja häufig auch fehlgeleitete moralische Werte, die Frauen im Namen einer vermeintlich hochstehenden säkularen Menschenwürde vom göttlichen Weg ihrer Heiligung ablenken. Es bedarf also wesentlich einer Besinnung auf die Orientierung des christlichen Glaubens an der Väterlichkeit der Liebe Gottes. Es bedarf einer Besinnung auf die väterliche Autorität als das geistliche Zentrum der Familie.

Quelle: http://www.bogoslov.ru/de/text/print/499931.html