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Nihilismus. Die Ideologie des Antichristen, Eugene (Serapim) Rose. Vorwort (1)

19 Αυγούστου 2010

Nihilismus. Die Ideologie des Antichristen, Eugene (Serapim) Rose. Vorwort (1)

Priestermönch Damascene (Christensen), Kloster St. Herman von Alaska.

In den frühen 1960er Jahren saß Eugene Rose, der nachmalige Bruder Seraphim, in seiner Kellerwohnung unweit des Stadtzentrums von San Francisco am Schreibtisch, umgeben von Stapeln von Büchern und Bergen von Papier. Es herrschte beständiges Dunkel, denn durch das Fenster drang nur wenig Licht. Einige Jahre bevor sich Eugene hier eingerichtet hatte, war in diesem Raum ein Mord geschehen, und man sagte, daß noch immer ein Geist sein Unwesen dort treibe. Doch hatte Rose, wie um dem Spuk und der sich immer stärker verdü-sternden Stimmung in der Stadt um sich her zu trotzen, eine der Wände über und über mit Ikonen bedeckt, und vor dieser flackerte unablässig eine rote Ikonenlampe.

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In diesem Zimmer machte sich Eugene Rose daran, eine monumentale Chronik über den Krieg des modernen Menschen gegen Gott zu verfassen, über dessen Versuch, die alte Ordnung zu zerstören und eine neue Ordnung ohne Christus zu errichten, die Existenz des Reichs Gottes zu leugnen und an dessen Stelle sein eigenes, irdisches Utopia zu setzen. Dieses Werk erhielt den Titel Das Menschenreich und das Reich Gottes.

Nur wenige Jahre zuvor war Rose selbst von der Menschen Reich betört gewesen, und er hatte an ihm Schaden genommen. Auch er hatte im Krieg gegen Gott gestanden. Das protestantische Christentum der ihn prägenden Jahre, das er als schwach und fruchtlos von sich wies, hatte ihn zur Gegenkultur der Boheme der 1950er Jahre geführt, zudem hatte er sich mit östlichen Religionen und Philosophien auseinandergesetzt, die lehrten, daß Gott im Grunde unpersönlich sei. Wie die absurdistischen Künstler und Dichter seiner Zeit hatte er mit Skurrilem experimentiert, indem er die logischen Denkprozesse aufbrach, um so „weiter auf die andere Seite hinüberzubrechen“. Er las den umnachteten Propheten des Nihilismus, Friedrich Nietzsche, bis dessen Worte mit infernalischer Kraft, wie elektrisierend, in seiner Seele widerhallten. Auf all diesen Wegen suchte er die Wahrheit oder Wirklichkeit im Geiste zu fassen, doch keiner von ihnen führte zum Ziel. Er sank in einen derart trostlosen Zustand, daß er, als man ihn später bat, diesen zu beschreiben, nur sagen konnte: „Ich war in der Hölle.“ Er trank und rang mit Gott, mit jenem Gott, den er für tot erklärt hatte, wobei er aufstampfte und zu ihm aufschrie, er möge doch von ihm ablassen. Im Rausch schrieb er einmal: „Ich bin krank, wie alle Menschen krank sind, denen die Liebe Gottes abgeht.“

„Atheismus“, formulierte Rose in späteren Jahren, „wahrer existentieller Atheismus, wie er im Haß gegen einen vermeintlich ungerechten oder gnadenlosen Gott entbrennt, ist ein spiritueller Zustand. Er ist der äußerste Versuch, mit dem wahren Gott zu ringen, dessen Wege selbst den meisten Gläubigen so unerklärlich sind, und er endet, das hat sich mehr als einmal gezeigt, in einer blendenden Schau dessen, den der wahre Atheist tatsächlich sucht. Es ist Christus, der in solchen Seelen wirkt. Der Antichrist ist nicht in erster Linie in den großen Verleugnern zu finden, sondern in den kleinen Jasagern, deren Christus nur Lippenbekenntnis ist. Wenn Nietzsche sich selbst Antichrist nannte, so stellte er damit sein starkes Verlangen nach Christus unter Beweis.“

Gerade ein solch starkes Verlangen verspürte Rose in den späten 1950er Jahren. Und wie ein plötzlicher Windstoß trat nun eine Wirklichkeit in sein Leben, die er nie vorherzusehen vermocht hätte. Gegen Ende seines Lebens erinnerte er sich dieses Zeitpunkts: „Jahrelang gab ich mich in meinen Studien damit zufrieden, zwar über jeglichen Traditionen zu stehen, ihnen aber doch in gewisser Weise treu zu sein. […] Wenn ich eine orthodoxe Kirche besuchte, dann geschah dies nur, um eine andere Tradition zu beschauen. Und dennoch, als ich eine solche Kirche zum ersten Mal betrat (eine russische Kirche in San Francisco), widerfuhr mir etwas, das ich in keinem buddhistischen oder anderen östlichen Tempel je erlebt hatte. Etwas in meinem Herzen sagte, ich sei angekommen und all meine Suche habe ein Ende. Ich konnte im Grunde nicht einordnen, was dies bedeutete, denn der Gottesdienst wirkte auf mich recht fremd und wurde in mir unverständlicher Sprache abgehalten. Ich begann den orthodoxen Gottesdienst nun häufiger zu besuchen und lernte Schritt für Schritt seine Sprache und seinen Ritus kennen. […] Indem ich mich der Orthodoxie aussetzte und mich mit Rechtgläubigen umgab, begann eine neue Ahnung in mein Bewußtsein zu treten: daß Wahrheit nicht einfach eine abstrakte Idee sei, die der Verstand sucht und erfaßt, sondern daß sie etwas Persönliches sei, ja ein Einzelwesen, das das Herz sucht und liebt. Und so begegnete ich Christus.“

(Fortsetzung folgt)

Quelle.

Nihilismus. Die Ideologie des Antichristen. Eugene (Seraphim) Rose, Verlag Edition Hagia Sophia, Straelen 2010, S. 9-11, (Internet: http://www.orthodoxie-versand.de/product_info.php?info=p160_Priestermoench-Seraphim-Rose–br-Nihilismus.html).

Auf Englisch:

Nihilism: the root of the revolution of the modern age. Eugene (Serapim) Rose, St. Herman of Alaska Brotherhood, Platina CA, U.S.A., 4th ed. 2009, (Internet: http://www.stherman.com/Catalog/Writings_of_Father_Seraphim/nihilism_book.htm).